Nach den flotten Hangbolzraketen Swinger und Factum wollte ich einen etwas größeren und leichteren Elektrosegler in meinen Hangar aufnehmen. Um entspannt nach dem Feierabend bei einschlafenden Bedingungen am Hang oder auf dem Flugplatz zwischendurch eine gemütliche Runde zu drehen. Fliegen im Zeitlupentempo, etwas Aufwind erhaschen, auf der Flügelspitze wenden können, so was in der Art eben. Alle Bauteile sollten für einen besseren Transport kompakter werden, das heißt die Spannweite einzelner Flügelsegmente sollte nicht länger als 1m werden, idealerweise wird auch der Rumpf teilbar und die Leitwerke abnehmbar. Dazu sollte man auch mit gutem Gewissen günstigere Komponenten verwenden können: Ein 28mm Brushless Direktantrieb und normale 9g-Servos anstatt teurer Getriebeantriebe bzw. Hochvolt-Servos waren der Plan.

Dieses Konzept spukte schon eine Weile in meinem Kopf herum bis wir in der Werkstatt ein zweiteiliges Urmodell für einen Elektroseglerrumpf für Spannweiten bis 2,8m ausleihen konnten. Das war quasi ein Wink des Schicksals und so machten wir uns daran Formen für diesen Rumpf zu bauen. Die Aufteilung in vordere Rumpfkeule und Heckausleger haben wir direkt übernommen – die Option auf Teilbarkeit ist zu verlockend. Gefertigt wird der vordere Bereich 2,4Ghz freundlich in GFK, der hintere Bereich und der Heckausleger erfreuen sich am CFK. Komplett in den Formen lackiert, sieht es schließlich doch wie ein Rumpf aus einem Guss aus.

Der Rumpf hat auch den weiteren Rahmen definiert und mit Recherchen über etablierte Modelle und deren Abmaße (Flügelgeometrie, Leitwerksvolumen etc) ging es an die aerodynamische Auslegung. Für den Rumpf wurden max. 2,8m Spannweite genannt, dann nehmen wir die auch! Die Profiltiefe darf ruhig etwas größer werden, das kommt der Sichtbarkeit zu Gute und die Reynoldszahlen werden ebenfalls entspannter. Die Profile selbst sind Eigenentwicklungen der AkaModell und versprechen gute Eigenschaften in allen Bereichen. Die Rechnungen am Ende sahen jedenfalls vielversprechend aus, jetzt muss man ihn nur noch genauso bauen.

Da wären wir bei der Bauweise: Eine Rippenfläche fiel wegen der Formtreue aus, der non-plus-ultra Flügel in Schalenbauweise aus Negativformen hätten den Aufwand gesprengt. Das Ergebnis sind Flügel und Leitwerke in XPS-Positivbauweise: Die Styrokerne entstanden auf der Styroschneide (CNC-Maschine Nr. 1) und werden dann inkl. Holmen und Steckung unter Vakuum mit Glasfaser beplankt. Warum Glasfaser? Gute Eigenschaften für günstigere Preise, das reicht für das erste Modell völlig. Ein möglicher Nachfolger wird vielleicht etwas besser ausgestattet – dazu später (vielleicht) mehr. Neben der Styroschneide kamen auch unsere anderen CNC-Werkzeuge zum Einsatz: Auf der Fräse (CNC-Maschine Nr. 2) wurden Schablonen für die Nasenleisten, Wurzelrippen und Ruderhörner gefräst. Der 3D-Drucker (CNC-Maschine Nr. 3) durfte Servorahmen und einen Heckschabschluss, um die Leitwerks-Anlenkungen zu schützen, beitragen. Apropos Leitwerk: Es wurde ein V-Leitwerk, damit lassen sich die anderen Rümpfe der Hangsegler entspannt stapeln.

Nach gefühlt endlosen Monaten in der Werkstatt war er endlich bereit für den Erstflug: Abends im Nebel bei bockigem Wind waren nicht die besten Bedingungen, aber er sollte unbedingt in die Luft! Und das kann er auch! Schön wendig, schön langsam, schön gutmütig, genau wie gewünscht! Ein Grinsen über beide Ohren und eine butterweiche Landung auf dem Gras waren das Ergebnis.

Wie geht es nun weiter? Auf jeden Fall werden die Flugeigenschaften weiter erprobt: Schneller, langsamer, auf dem Rücken? Mal schauen wie gut das alles geht, gerne auch gegenüber anderen Modellen. Was lässt sich verbessern? Auf jeden Fall so einiges, das hat der Bau des Prototyps gezeigt: Der Rumpf ist momentan leider nicht teilbar, die Anlenkungen für’s Leitwerk kann man definitiv besser lösen. Bezüglich der Bauweise gibt es auch noch Potenzial: Der erste Flug macht schon Lust auf mehr und wenn sich die guten Eigenschaften weiter bestätigen, steht der Bau von Negativformen für Flügel und Leitwerke im Raum.

Wie heißt der Vogel nun? Ich habe ihn Orangemilan getauft. Warum? Der Rotmilan ist bei uns heimisch und ein geselliger, akrobatischer und gerne verspielter Flieger. Dazu hat er einen halbgefächerten Schwanz (wie ein V-Leitwerk) und einen schönen weißen Streifen auf den Flügelunterseiten – wie meiner auch. Allerdings habe ich die Verzierungen auf der Flächenoberseite neon-orange lackiert – daher Orangemilan, logisch.

Auf jeden Fall vielen Dank an Alle für die Unterstützung und die gemeinsame Zeit beim Bauen! So kamen die Hangbolzer zu einen gemütlichen, spaßigen großen Bruder, der hoffentlich oft Flugluft schnuppern darf.

Technische Daten 
Spannweite2,8m
Flügelfläche57dm²
Streckung13,8
Abfluggewicht (1. Prototyp)1360g
Flächenbelastung24g/dm²
Bauweise RumpfKeule in Handlaminat GFK/CFK Heckrohr in Aufblastechnik CFK
Bauweise Flügel und LeitwerkeXPS Positiv mit GFK Beplankung und CFK-Holmen
Harzsystem
Vielen Dank an GRM für die Unterstützung!
GRM 285+286

Text und Bilder: Etienne Pudell