Ein Gemeinschaftsprojekt von Bernhard Kobiela und Ruben Bühler

Nachdem wir im Dezember 2008 unsere CNC-Fräse bekommen hatten, war sehr schnell klar, dass wir jetzt eigene Schalentiere bauen „müssen“. Da wir das erste Projekt überschaubar halten wollten, sollte die Fläche einteilig fräsbar sein, was die Spannweite auf 1,5m limitierte. Gleichzeitig sollte ein Hangflieger entstehen, welcher vor allem an kleineren Hängen Vorteile durch Wendigkeit, gutes Handling und großes Leistungsspektrum bietet.

Zuerst sollte ein Prototyp gebaut werden. Es folgte ein mindestens 2 Wochen dauernder und unzählige E-Mails und einige Diskussionen umfassender Auslegungs-Marathon zwischen Bernhard, Ruben und Tobias Ries. Tobias wollte seine Fläche in Rippenbauweise aufbauen, um einen Thermiksegler zu bauen. Ruben hingegen bevorzugte glasbeplanktes Styrodur, um eine höhrere Profiltreue zu erhalten.

Das Ergebnis waren jeweils zwei sehr ähnliche, auf den jeweiligen Einsatzzweck angepasste Geometrien, die sich auf ein 2-fach Trapez beschränkten. Der Prototyp sollte 1° V-Form haben. Die Klappen wurden als Flaperons geplant, sodass auch ver- und entwölbt werden kann. Es wurde mit 11 eine relative hohe Streckung gewählt, um möglichst gute Allroundeigenschaften zu erhalten.

Die Profilwahl stellte sich anfangs als schwierig heraus. Profile aus der MH-Reihe schieden schnell aus, genauso wie Vertreter der HQ-Serien. Die NH-Profile schnitten in Rechnungen gut ab, hatten aber gerade in den mittleren CA-Bereichen Probleme mit Ablöseblasen. Andreas Herrig stellte uns sein Profil AH140 zur Verfügung, welches in Rechungen mit viel Leistung glänzt und gegen Blasen immun zu sein scheint. So war die Wahl auf das sehr dünne Profil AH140 (6,5%) gefallen.

Als Rumpf musste der vorhandene Floh-Rumpf herhalten, der allerdings einen sehr kurzen Leitwerksträger für einen 1,5m-Segler hat.
Das Abfluggewicht von Tobis Rippenflieger liegt bei knapp unter 300g. Rubens Flieger wiegt als Segler 400g.

Tobis Rippenflieger

Beide Flieger flogen erstmalig im folgenden Frühjahr.

Die Flieger zeigten sehr gute Leistungen und unkritisches Verhalten im jeweiligen Anwendungsbereich. Allerdings leiden beide unter strukturellen Problemen: Tobis Fläche flattert bei höherer Geschwindigkeit schnell, Rubens Fläche ist, da ohne Holmsteg gebaut, biegeweich und legt deswegen gerne die Ohren an.

Außerdem ist Rubens Fläche zu dünn um ein 9mm Servo aufzunehmen. Auch ist eine Spiralsturztendenz zu erkennen, dadurch ist sauberes Kreisen schwierig.
Trotz alledem sind die Flieger leistungsstark und nach wie vor in Gebrauch.

Rubens Prototyp am Hang. Filmerei und Kommentare Josef Bühler. Das am Ende ist ne gerissene Rolle – Leider fast nicht zu sehen.

Mit solch einem Flugvideo marschierte Ruben dann in die Werkstatt. Kurz später war dann die Roadmap klar. Ruben sollte die Flächengeomertie überarbeiten. Bernhard kümmerte sich danach um’s CAD.

Zuerst wurden das Verbesserungspotential abgesteckt: ein 9 mm Servo sollte schon reinpassen. Wir wollten die Flächentiefe nicht erhöhen, das hätte uns Streckung und damit Leistung gekostet. Ein lokales Aufdicken kam nicht in Frage. Aber durch leichtes Aufdicken des Profils auf 7% und etwas Entwölben wurden die berechneten CW-Werte kaum schlechter, im Schnellflug sogar besser und auch im Rückenflug sollten Vorteile zu erwarten sein.
Danach wurde die Geometrie überarbeitet. Der Prototyp war noch ein 2fach-Trapez. Nun sollte alles schön rund werden. Die Tiefenverteilung wurde so gewählt, dass das Abrissverhalten unkritisch bleibt, aber dennoch nahe an der idealen elliptischen Tiefenverteilung ist. Die V-Form wurde auf 2° erhöht, um einfacheres Handling beim Kreisen zu gewährleisten. Die Randbögen wurden sichelförmig nach hinten gezogen um einen noch unkritischeren Außenflügel zu erhalten.

Während Bernhard in der folgenden Zeit das CAD-Modell und Fräsbahnen erstellte, kümmerte sich Ruben um das Fräsmaterial für die Urmodelle. Aus Kostengründen haben wir uns für MDF entschieden, welches gefräst, dick mit Vorgelat überzogen, und dann nochmals überfräst wurde. So blieb eine dünne, exakt gefräste Schicht Vorgelat als Oberfläche übrig. Faktisch hat das alles viele Probleme mit sich gezogen, sodass wir in gleicher Zeit auch 4 statt 2 Urmodelle hätten fräsen können. Trotzdem wurden wir nach 4 „durchfrästen“ Nächten damit fertig, sodass nun mit der Aufbereitung der Oberflächen begonnen werden konnte.

Nach unzähligen Arbeitsstunden Schleifen, oder wie Francesco Pantano sagte: „New Kata for Ruben: Schleifen, schleifen, poliere, poliere“, neigte sich dieser Arbeitsabschnitt dem Ende zu.
Leider folgte eine längere Pause im Projekt. Der Flieger für die Air Cargo Challenge 2009 musste gebaut werden, was jede Arbeitskraft vom Swinger abzog. Immerhin konnten wir in Portugal einen Sieg davontragen. Die die darauffolgende Prüfungenzeit kostete Ruben weitere Bauzeit. Bernhard nutzte sie, um die Urmodelle zu finalisieren.

In zwei 12-Stunden Laminieraktionen entstanden die ersten Formen.

Nun musste natürlich eine Fläche her. Sie wurde mit Glasgewebe und Balsa als Stützstoff aufgebaut und war mit 260g einigermaßen leicht aber eigentlich zu schwer, da Rubens Prototypenfläche nur 180g mit Servos und Tobis Rippenfläche 109g wog. Auch war die Bauweise noch verbesserungswürdig. Auf dem Floh-Rumpf „geschnallt“ wurde sie getestet und bestach mit noch nicht gekannter Leistung, was sich in Rubens 2-tägigen Dauergrinsen niederschlug. Zwar neigt der Flieger zum Pendeln um die Hochachse und auch war das Kreisflughandling noch nicht perfekt, beides sollte aber mit einem längeren Rumpf auszumerzen sein. Durchzug, Wendigkeit, Sinken und Gleitleistung sind bestechend gut. Der Swinger zeigte schnell, dass er bei vielen Bedingungen ausgezeichnet funktioniert.

Swinger mit noch zu kurzem Rumpf. Fläche ist aus der ersten Form. Pilot: Ruben, Kamera: Josef
Video ist relativ schlecht und der Wind sehr schwach.

Nach Beschaffung anderer Rümpfe wurden weitere Flügel gebaut, sodass bald einige Swinger flugbereit waren.
Auch performte der Flieger mit längerem Rumpf nochmals deutlich besser. Die relativ hohen Gewichte mit ca 530g-600g stellten sich zum Hangfliegen schon bei schwächeren Bedingungen als ziemlich gut heraus, da einfacher große Strecken zurückgelegt werden können und dank der Flaperons auch die Thermikeigenschaften sehr gut sind.
Aufgebleit wiegen die aktuellen Swinger bis zu 900g. Aus dem kleinen leichten Flieger, der um jede Ecke springt und sich hervorangend dazu eigent, Loopings um 2-Achs HLGs zu fliegen wird dann ein rattenschnelles Geschoss.
Aber auch eine leichte SAL-Version (Fläche wiegt 120g mit Servos) fliegt ziemlich gut, allerdings muss noch ein besserer und leichterer SAL-Rumpf her.

Rubens Swinger am Boden

Rubens Swinger im Vorbeiflug.

Jonas‘ Swinger. Bauzeit vom Lackieren der Form bis zum Erstflug: 7 Tage

Rubens SAL-Swinger

 

Nachdem Bernhard seine Formen vollendet hatte, begann auch er mit dem Bau eines Swingers, der sogar über RDS verfügt.

Insgesamt sind schon über 10 Swinger gebaut worden, die meisten als Hangflieger, 2 als SAL. Derzeit entstehen die ersten Vollkohle-Swinger, die wahrscheinlich noch besser im DS funktionieren.

Zusammenfassend ist der Swinger ein sehr gelungener Allrounder für den Hang. Er kann wegen seiner Gutmütigkeit auch von weniger geübten Piloten problemlos beherrscht werden. Alles ist möglich: Gemütlicher Thermikflug, Kunstflug auf Augenhöhe, Speedorgien (wenn aufbalastiert) und Dynamischer Segelflug.

 

Alle an diesem Tag fliegenden Swinger. Besitzer vrnl: Jonas, Bernhard, Ruben, Josef, Ruben

UPDATE April 2013

Der Swinger ist zum Hangflug-Standardmodell der AKA geworden, da er an den verhältnissmäßig kleinen Hängen um Stuttgart viel Spass bietet. Fast jedes unserer Mitglieder hat einen Swinger gebaut.

Die meisten Flieger haben Abfluggewichte zwischen 530g und 600g und sind teilweise aufballastierbar bis fast 900g.
Auch wurden 2 festere Versionen gebaut. Sie haben 700g und 900g Abfluggewicht und sind bis 1,2kg bzw 1,8kg ausballastierbar. Außerdem sind die schwereren Versionen mit Schalenleitwerken ausgestattet, die sind zwar schwerer als die bisherigen Holzleitwerke, sind aber deutlich steifer. Hier zeigt sich aber auch das obere Limit des Swingers. Mit 1,8kg lässt er sich nur noch sehr schwierig Landen, da das Hochstellen der Flaperrons nicht genügend bremst und der Flieger unglaublich schnell bleibt. Nachdem neuerdings vernünftige 8mm-Servos verfügbar sind ist eine 4 Klappenfläche in Planung. Mit Butterfly müssten sich auch hohe Flächenlasten besser Landen lassen.

Swinger Video

UPDATE August 2014

Die 4-Klappenfläche nun auch schon eine Weile fertig. Lässt sich bei hohen Gewichten angenehm landen. Der Swinger hat zu einem neuen Projekt geführt, so werden bald Formen für einen 2m Hangflieger gebaut.